Transport per HandAn was denken Sie zuerst, wenn ich Ihnen „Sprengstoff“ als Stichwort zurufe? Dynamitstangen, die in orangefarbenes Wachspapier eingewickelt sind, eine gußeiserne Kugel mit Zünschnur, eine Fliegerbombe? All das kommt einem bei diesem Stichwort in den Sinn. Es sind einfach die typischen Bilder, die man mit diesem Begriff in Zusammenhang bringt. Daß gefährliche Sprengstoffe aber auch schnell im Feuerwehreinsatz in einem ganz anderen, ungewohnten Erscheinungsbild vorkommen können, zeigt der folgende aktuelle Fall.

Sachverhalt
Der Lehrling eines chemischen Labors bastelte daheim in seiner Freizeit an chemikalischen Ansätzen. Er war allerdings nicht sehr ordentlich, und so verwies ihn eines Tages seine größere Schwester aus der zugemüllten Wohnung. Die Schwester und ihr Freund wollten die Ordnung wieder herstellen und die Wohnung des kleinen Bruders aus- / aufräumen. Dabei stießen sie auf verschiedene Chemikalien, die überall herumstanden. Päckchen mit weißem Pulver befanden sich in Schubladen und auf Ablagen. Die Sache war ihnen nicht ganz geheuer, daher riefen sie die Feuerwehr zur Unterstützung. Die kam auch und half mit einem Chemiker bei der Entfernung der Chemikalien und der Reaktionsprodukte. Das weiße Pulver wurde mit Schaufel und Besen in Tüten eingefaßt und im Bauhof zwischengelagert. Daß bei dieser Aktion akute Lebensgefahr bestanden hatte, wußten die Beteiligten zu dieser Zeit nicht.

Tags darauf räumten die Schwester und ihr Freund weiter auf. Bei der etwas unsanften Behandlung eines mit Kleidung gefüllten Kartons explodierte dieser und verletzte die beiden leicht (Zeitungsartikel hierzu). Nun kam erstmalig der Verdacht auf Sprengstoff auf. Der Entschärfungsdienst des Landeskriminalamts wurde hinzugezogen. Die Fachleute untersuchten die auf den Bauhof verbrachten Pülverchen mit Schnelltests und identifizierten sie als den hochempfindlichen Explosivstoff TATP, der sofort vor Ort durch Sprengung vernichtet wurde. Video hierzu.

Anschließend wurde die Wohnung genauestens durchsucht. Dabei wurden beim Ausräumen des Gerümpels noch weitere Lager mit TATP aufgefunden. Dem Anschein nach ging der Lehrling zudem recht sorglos mit dem hochgefährlichen Stoff um. Daß es noch zu keiner folgenschweren Explosion gekommen war, kann nur als Glück bezeichnet werden. Die Entschärfer transportierten die Gebinde mit den Explosivstoffen vorsichtig zu einem freien Feld und sprengten sie dort. Der Bastler konnte sich nicht mehr genau erinnern, wo er noch überall Explosivstoff versteckt / gelagert hatte. Weil nicht ausgeschlossen werden konnte, daß sich weitere kontaminierte Kleidungsstücke, Möbel oder sonstiges Inventar in der Wohnung befanden, mußte das gesamte Material beschlagnahmt und kontrolliert verbrannt werden. Video hierzu.

Die Einsatzkosten von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst werden dem Lehrling wohl in Rechnung gestellt und er bekommt eine Anzeige wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz. Zeitungsartikel hierzu.

Acetonperoxid, Quelle: Wikipedia

Acetonperoxid, Quelle: Wikipedia

Der Explosivstoff
Beim Explosivstoff TATP (Acetonperoxid) handelt es sich um einen sehr empfindlichen, in kleinen weißen Kristallen vorliegenden Initialsprengstoff. Er ist so empfindlich, daß bereits der Bruch eines einzigen winzigen Kristalls ausreicht, um die ganze Ladung zu zünden. Zudem setzen sich die Kristalle in Behältern mit Deckel gerne ins Gewinde oder an den Übergang von Gefäß zu Deckel. Wird der Deckel geöffnet, brechen die Kristalle. Es gab bereits etliche Freizeitsprengmeister, die so ihr Leben oder wenigstens ihre Gesundheit (Finger, Hände, Arme, Augenlicht, Gehör) verloren haben. Weil der Stoff so unberechenbar ist, findet er übrigens keine professionelle Anwendung, nur bei Bastlern oder Terroristen erfreut er sich wegen der relativ einfachen Herstellung gewisser Beliebtheit. Es ist keine besonders umfangreiche Laborausrüstung notwendig, kein tieferes Fachwissen und auch die Ausgangsmaterialien sind handelsüblich. Das macht TATP zum beliebten Bastlersprengstoff, der heutzutage praktisch überall angetroffen werden kann wie der vorliegende Fall zeigt. Nur die extremen Gefahren, die davon ausgehen, sind den wenigsten bekannt. Bereits eine Ladung von weniger als drei Gramm, etwa 1/4 einer Filmdosenfüllung, kann einem die Hände zerfetzen.

Fazit
Durch die einfache Herstellung des Explosivstoffes kann praktisch jede Feuerwehr in eine ähnliche Situation kommen. Wenn unbekannte Stoffe im Spiel sind, gerade in einem Hobbylabor, ist diese Gefahr auf jeden Fall zu bedenken. Bereits das Berühren der Beutel mit dem Explosivstoff kann eine Explosion mit lebensgefährlichen Folgen bedeuten. In einem solchen Fall sollte von Seiten des verantwortlichen Führungspersonals keine halben Sachen gemacht und professionelle Unterstützung mit dem Hinweis auf die mögliche Explosivstoffgefahr in Anspruch genommen werden. Die Landeskriminalämter haben für solche Fälle den Entschärfungsdienst, der über jede Polizeidienststelle angefordert werden kann.

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